Waffeln und Achtsamkeit

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Inception ist ja ein großartiger Film, wie ich finde. Ein Gedanke wird dir eingepflanzt, der sich dann verselbstständigt und von dem du am Ende nicht mehr weißt, ob es dein eigener oder die Idee eines anderen war.

So ging es mir mit den Waffeln. 

Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich einfach plötzlich Lust auf Waffeln hatte und ständig überlegte, welche zu kaufen oder zu machen, oder ob die ganzen leckeren Rezepte, die ich in letzter Zeit an verschiedenen Stellen entdeckt habe, mich glauben ließen, ich müsse jetzt unbedingt mal wieder Waffeln essen. Jedenfalls haben sich in den vergangenen Wochen die Gedanken daran immer wieder in den Vordergrund gedrängt – nur war das Verlangen nie groß genug, dafür für mich alleine das Waffeleisen auszupacken oder in ein Café zu gehen und Waffeln zu bestellen. Bis gestern. Da entdeckte ich die Mutter aller Waffeln: ein Traum von einem Teig, darauf Maronencréme, garniert mit Sahne.

 

 

Mit Heißhunger habe ich reingebissen, die Sahne verteilte sich überall, die Maronencréme zerging im Mund, und die Waffel schmolz quasi auf meiner Zunge. Eine Geschmacksexplosion am Gaumen, Bissen für Bissen für Bissen für …

Es war zu viel. Die ganze Waffel habe ich nicht geschafft, die Reste wurden in der Runde verteilt. Nun darf ich mir seit gestern an jedem Waffelstand und jedem Café mit Waffeln auf der Karte die Frage gefallen lassen: „Katharina, Waffeln?“ (und wenn wir an dem Stand mehrmals vorbeikommen, gerne auch jedes Mal aufs Neue). Aber das macht nichts. Dass ich die Waffel nicht aufgegessen habe, ist für mich ein kleiner Sieg. Ich höre nämlich seit Neuestem darauf, wenn mein Körper und mein Geist mir sagen: es ist genug. Auch wenn ich wochenlang an nichts anderes gedacht habe als daran, mit Genuss in eine dicke, mit Puderzucker bestäubte Waffel zu beißen.

Das Zauberwort dabei ist Achtsamkeit. In den letzten zwei Jahren habe ich viel zu oft meine eigenen Bedürfnisse ignoriert. Ich habe performt. Habe alles Neue mit Freuden ausprobiert, mich verausgabt auf der Suche nach den interessanten Dingen im Leben – und danach, wer ich eigentlich bin und wo ich hinwill. Und es hat mir Spaß gemacht, weil ich genügend Reserven hatte, um auf allen Hochzeiten zu tanzen, die sich da boten. Mein Körper und auch mein Gemüt haben mehr oder weniger deutlich versucht, mir zu signalisieren, dass es bald nicht mehr so weitergehen kann. Meine Freunde haben es mir mehr oder weniger deutlich zu verstehen gegeben, nicht zuletzt mein Mann. Ihnen allen habe ich zugehört – und weitergemacht. Bis ich es selbst begriffen habe.

Das kam nicht über Nacht. Das Begreifen, dass sich etwas ändern muss, entstand aus Ideen und Begegnungen. Mir wurden von ganz großartigen Menschen Gedanken eingepflanzt, die sich als zarte Pflänzchen entwickeln konnten. Die zu starken Ideenbäumen anwuchsen, weil ich anfing, auf mich und meine Bedürfnisse zu hören, auf mich achtzugeben. Vor genau einem Jahr, hier in Berlin während der re:publica, durfte ich mich Sandra von KiwiBlau Coaching anvertrauen. Die wichtigste Erfahrung dabei war: Es steckt alles in mir, die Frage, die Antwort, und vor allem – die Lösung. Ich muss nur lernen, auf mich und meine Bedürfnisse zu achten. Keine Angst vor Entscheidungen zu haben. Ich schwebte zurück auf die Sessions – und erhielt gleich darauf die Nachricht von Svenja, dass ich einen Platz in der Storytelling Masterclass ihres Mannes Uwe Walter gewonnen habe. Der Jackpot, wie ich eine Woche später in Köln feststellen durfte.

Zusammengenommen haben diese beiden Begegnungen in so kurzer Zeit so viele Dämme in mir aufgebrochen, so viel bewirkt und mir so unglaublich geholfen, dass ich heute nicht mehr sagen kann, welche Gedanken wirklich von mir sind, und welche davon mir als Anregung dieser wunderbaren Menschen mit auf den Weg gegeben wurden. Im Ergebnis haben sie bei mir dazu geführt, dass ich endlich auf mich und meine Bedürfnisse mehr Gewicht lege als auf die Anforderungen anderer an mich. Meinen eigenen Wünschen Aufmerksamkeit entgegengebracht habe. Und dass ich nun mit mehr Achtsamkeit mir selbst gegenüber Entscheidungen treffe, die mir gut tun. Wie etwa ein Jobwechsel, weniger Verpflichtungen und auch die Freiheit, einfach mal NICHTS zu tun.

Zu diesen Entscheidungen, bewusst oder unbewusst, gehörte auch eine digitale Pause. In den letzten Monaten habe ich für meine Verhältnisse sehr wenig in den sozialen Netzwerken interagiert, wenig Neues entdeckt oder ausprobiert und lieber in der analogen Welt versucht, Ideen umzusetzen. Es war mir alles zu viel. Quasi überdeckt mit Maronencréme UND Sahne obendrauf. Ich musste aufhören, bevor mir schlecht wurde. Aber das heißt nicht, dass ich nie wieder etwas davon möchte.

Nun ist wieder re:publica. Ich bin wieder in Berlin. Blicke zurück auf das letzte Jahr und all die vielen Dinge, die passiert sind. Wie ich mich verändert habe und immer noch verändere. Ich bin gespannt darauf, welche Ideen diesmal hier gesät werden, um zu wachsen und zu gedeihen. Die erste ist schon einmal mit diesem Beitrag umgesetzt: Ich hab wieder richtig Lust auf dieses Internet!

Autor: Kitty

Büchermachender Bücherwurm mit feministischen Tendenzen und einer dunklen Vergangenheit im Bildungswesen. Kommuniziert viel, gerne und macht das irgendwie auch beruflich.

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