Müll mich nicht voll

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Ein wesentlicher Teil der Entwicklung, die ich in den letzten Monaten durchlaufen habe, war zu erkennen, warum mich bestimmte Dinge an mir selbst stören. Was genau es ist, was ich an mir nicht leiden kann – und warum nicht. Eines dieser Dinge war etwas, was wir alle tun, manche mehr, manche weniger: wir tun Dinge nebenbei, ohne uns darüber bewusst zu sein, was diese Handlung bewirken wird.

Bei manchen Dingen ist das ja sehr gut, etwa bei wiederkehrenden Handlungen, die keine große intellektuelle Leistung mehr erfordern, wie z.B. Zähne putzen, duschen, Schuhe binden oder nicht auf die heiße Herdplatte zu langen. Es sind erlernte Handlungen, die wir wie automatisch durchführen, und die auch keinen positiven oder negativen Einfluss auf unsere Umwelt haben. Wobei, okay, nicht zu duschen oder sich die Zähne nicht zu putzen … aber nun gut.

Leider haben wir, und mit wir meine ich meine Generation und alles, was sich in ihrem Dunstkreis bewegt, diesen Automatismus auch auf andere Lebensbereiche übertragen. Das „wie nebenbei“, es zeigt sich vor allem in der To-Go-Mentalität, die während meines Studiums überhand genommen hat. Alles gibt es auf die Hand, zum Mitnehmen und für unterwegs, damit man ja keine wertvolle Zeit verliert, mit so unwichtigen Dingen wie z.B. – Essen. Oder Trinken. Völlig überbewertet, kann man ja auch nebenbei machen.

Leider ist genau das etwas, was auch direkte Auswirkungen auf die direkte Umgebung hat. Schonmal in der U-Bahn neben einem gesessen, der Döner isst? Oder neben dem Schlürfer mit dem großen Pappbecher Latte mit Strohhalm an der Ampel gestanden? Nein? Seien Sie froh. Aber das sind Kinkerlitzchen, auszuhalten, im Vergleich zu dem, was DANACH passiert. Wenn der Döner aufgegessen ist, die Latte Macchiato ausgeschlürft und der Eisbecher ausgelöffelt wurde. Dann passiert nämlich das:

Mülleimer to go

Bushaltestelle Universität München, an einem beliebigen Sommertag.

Dann gipfelt all das schnell nebenbei Konsumierte, das unbewusste und aus dem Moment heraus gewählte Essen und Trinken in nichts anderem als – Müll.

Müll, der überhand nimmt hier in den In- und Szene-Viertelen, wo die Coffee-Shop-Ketten nun abgelöst werden durch die Smoothie-Läden, hippen Eismacher und sonstige trendige Super-Food-Lieferanten. Mag sein, dass man in diesen Läden die Getränke in recyclebaren Maisstärkebechern bekommt, aber interessiert den Kunden, wie er den Becher dafür zu entsorgen hat? Mein Eindruck ist: was nebenbei konsumiert wird, wird auch nebenbei weggeworfen. Da, wo es sich anbietet, egal, ob dort überhaupt noch Platz ist. Und wenn es sowieso alle machen, dann kann ich meinen Becher ja auch noch obendr…

Es gibt den schönen Begriff des gesunden Menschenverstands. Dinge, die eigentlich völlig klar sein sollten, die dem Gemeinsinn entsprechen und vermeintlich logisch erscheinen, sie auf einen bestimmte Art und Weise zu tun. Wie auf einen bereits vollen Mülleimer nicht noch Müll obendrauf zu packen. Oder vielleicht auch den Raum, den der Müll einnimmt, zu verringern, indem man gleiche Becher ineinander stapelt. Oder indem man den klassischen Trick anwendet, den ich immer für die Papierhandtuch-Eimer neben den Handwaschbecken anwende: einfach von oben nachdrücken, damit die Luft rausgeht und wieder Platz ist. Aber nein; es ist ja so schön einfach, es den anderen einfach nachzutun und seinen Müll noch obenauf zu laden.

Ich habe auch eine Zeit lang zu diesen Menschen gehört. Ich habe fast jeden Morgen einen Kaffee gekauft, schön im Pappbecher mit Deckel drauf, ich war zu faul, mein Frühstück selbst zu machen und habe mir belegte Brote in der Papiertüte reichen lassen, und ich habe im Supermarkt fast jedesmal eine Plastiktüte gekauft, weil ich nicht daran gedacht hatte, einen Beutel mitzubringen. Diese Dinge habe ich nebenbei erledigt und gemacht, sie hatten für mich keinerlei Belang, und ich habe ihre Folgen auf meine Umwelt, auf unsere Umwelt unterschätzt. Bis ich zum ersten Mal genau so einen Mülleimer gesehen habe, in unserer Straße. Mehrmals. Immer wieder. Und ich mir dachte: „Das kann nicht der Weg sein.“

Seitdem versuche ich mir immer wieder bewusst zu machen, welche Auswirkungen selbst kleine, vermeintlich unbedeutende Handlungen auf unsere Umgebung haben – vor allem, wenn viele es genau so machen. Für den Kaffee habe ich mir beispielsweise einen Becher von Keepcup geholt. Diesen habe ich mittlerweile durch einen Kaffeebecher aus Bambus ersetzt, den ich später einmal kompostieren kann. Wenn ich nicht dazu komme, mir selbst Frühstück zu machen, lasse ich mir die belegte Semmel gleich auf die Hand geben, und ohne die gute Jute zum Einkaufen geh ich nicht mehr aus dem Haus. Es mag sich anhören wie Kleinigkeiten, aber genau diese Kleinigkeiten führten bei mir dazu, dass ich mir bewusster darüber bin, wo ich durch das „Nebenbei“ etwas tue, was ich bei genauerem Darübernachdenken ganz anders lösen würde.

Seit ich versuche, mit dieser Aufmerksamkeit für die kleinen Veränderungen durchs Leben zu gehen, bin ich auch viel zufriedener mit mir selbst. Es muss nicht immer die große, weltverbessernde Maßnahme sein, es reicht, wenn jeder im Kleinen das tut, was sie oder er leisten kann. Und wenn es nur ist, sich gegen den nächsten Coffee to go zu entscheiden – oder ihn bewusst zu genießen und danach den Müll ordentlich zu entsorgen.

Autor: Kitty

Büchermachender Bücherwurm mit feministischen Tendenzen und einer dunklen Vergangenheit im Bildungswesen. Kommuniziert viel, gerne und macht das irgendwie auch beruflich.

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