Die von mir geschätzte Orbis Claudiae ereilte bereits im letzten Jahr das gleiche Schicksal wie mich in diesem Februar: Sie wurde dreißig. Mit meiner Herzensfreundin B. habe ich bereits vor zwei Jahren angefangen, leichte Panik zu schieben, was man denn bis dreißig noch unbedingt alles erledigt haben muss, angefangen von der endlich perfekten Figur bis hin zu einer völligen Neuorientierung im Leben.
Das mit der Figur hat natürlich nicht geklappt (tut es ja nie, wenn man drüber redet, anstatt es zu machen), und bei allem anderen bin ich mir noch nicht so sicher, ob die ganzen Veränderungen wirklich so zielführend waren. Mein Vorsatz, endlich wieder Kreativität als festen Bestandteil in mein Leben einzubauen, gipfelte gleich in einem neuen Job bei meinem vielbeworbenen und heiß geliebten Kreativverlag. Gleichzeitig türmt sich in „meinem“ Zimmer zugeschnittener Stoff, zu dessen Weiterverarbeitung ich nicht komme, der Wollkorb quillt über vor angefangenen Strickprojekten (Ravelry, ich verfluche dich!) und mein Sortiment an „Dinge, die man bestimmt mal verarbeiten kann“ wächst schneller, als ich schauen kann.
Dummerweise ist mein Job so großartig und vielseitig, dass ich mich gerade deswegen häufig nicht losreißen kann; und so bin ich tagtäglich von tollen Ideen umgeben (hey, mal ehrlich, Kreativbuch des Jahres!) dass ich abends neben meinem Anspruch, dem Mann seine einzige ordentliche Mahlzeit des Tages zu kredenzen, den Balkon zu bepflanzen und den Laden am Laufen zu halten, nicht dazu komme, meine ganzen Projekte zum Abschluss zu bringen oder Sport zu machen (geschweige denn, regelmäßig zu bloggen). Von Ausgehen rede ich ja schon gar nicht mehr.
Und dann. Dann wird man dreißig und hat die wichtigsten Menschen um sich rum. Freut sich einfach nur, dass der Gedanke gleichzeitig Geburtstag- und Hochzeitstag zu haben, immer noch ziemlich gut ist. Und was schenken diese Wahnsinnigen einem? Eine Palette. Farben. Pinsel. Papier. Leinwände. Und: Eine Staffelei. EINE STAFFELEI!
Ein heimlicher Herzenswunsch, den ich nie getraut habe mir selbst zu erfüllen, weil, was ist, wenn ich sie dann nicht nutze? Wenn ihr Anblick mir jedes Mal ein schlechtes Gewissen macht, so viel Geld für etwas ausgegeben zu haben, dass ich doch nicht nutze? So aber, als hätten sie es geahnt, steht dort kein mahnendes schlechtes Gewissen, sondern eine Erinnerung, dass ich jederzeit, wenn ich Lust, Zeit oder einfach nur das Bedürfnis habe, einfach drauf los malen kann.
Ich wollte wieder Kreativität in meinem Leben und habe gejammert, dass ich ja gar keine Zeit dazu habe. Die Staffelei erinnert mich daran, dass die Kreativität schon da ist. Ich nutze sie nur eben anders, als ich mir das noch vor zwei Jahren erhofft hatte. Und das beste ist: ich bin glücklich damit.
Jetzt muss ich nur noch das mit der Figur hinbekommen.